In Dombas

Da stand ich jetzt in einem kleinen Norwegischen Kaff vor einem dunklen Motel. Am liebsten wäre ich wieder umgekehrt, so hatte ich mir den Empfang nicht vorgestellt. Der einzige Grund wieso Dombas auf der Landkarte zu finden ist, ist die Strassenkreuzung. Sie liegt 320 km von Oslo und 200 km von Trondheim entfernt und die Strasse ins Fjordland zweigt hier ab. Ausserhalb der Grossstädte Oslo, Bergen und Trondheim ist dies angeblich die meistbefahrene Kreuzung Norwegens. Nur das machte mich jetzt nicht gerade glücklich. Naja, wenigstens steckte tatsächlich der Schlüssel…

Am nächsten Morgen, Mittwoch, ausgeschlafen und mit vollem Bauch (Gottlob gibt es einen Supermarkt an der Kreuzung.) fiel mir wieder ein, wieso ich fast eine Woche hier bleiben wollte. An der Innenseite meiner Zimmertür hing das Bild eines Moschusochsen! Nach einem Telefonat mit Terje, dem das Motel gehört und der auch gleichzeitig die Touren zu den Moschusochsen leitet, sah die Welt trotz Regenwolken gleich viel heller aus. Terje und sein Kollege Rick waren aus zwingenden Gründen in Oslo gewesen und würden am selben Abend zurückkehren.
Am Donnerstag Morgen fuhren wir also auf das Dovrefjell um die Moschusochsen zu suchen. Dank Terjes Erfahrung war es eine kurze Suche. Nach etwa einem Kilometer Marsch über Flechten, Moose und Schnee stiessen wir auf eine Gruppe von vier Jungbullen. Stoisch liessen sie das dichte Schneetreiben über sich ergehen. Ich war von dem Schneefall wenig begeistert, denn ich musste dauernd die Frontlinse meines Objektives reinigen. Ausserdem trübte es die Sicht auf die Moschusochsen und ich hatte mir doch schön klare Bilder vorgestellt. Aber so ist es mit der Naturfotografie, man muss nehmen was man bekommt.

Da Moschusochsen von Natur aus eher gemütlich sind, konnten wir am Freitag direkt zur Gruppe vom Vortag gehen. Die Tiere waren kein bisschen weiter gewandert. Ohne Schneefall waren auch bessere Bilder möglich. Zwei der Jungbullen waren in Spiellaune. Einer der beiden stand auf einem Hügel und entschloss sich plötzlich den Hang herunter zu rennen. Auch wenn der Moschusochse nicht direkt auf uns zu rannte, so war es doch sehr beeindruckend, wie schnell diese 400kg (O.K., nach dem Winter etwas weniger) rennen. Während ich den Finger auf dem Auslöser lies, wurde mir bewusst, dass wir keine Chance hätte zu entkommen, falls wir das Ziel des Bullen wären. Unten angekommen blieb er stehen und musterte uns. Zügig gingen wir ein paar Meter weg und sogleich wurde klar, dass nicht wir, sondern ein zweiter Bulle in seinem Fokus war. Zu diesem trottete er hin und eine Weile standen sich die beiden Stirn an Stirn gegenüber. Dann ging einer der zwei ein paar Schritte zurück, holte Anlauf und schon prallten die Hornplatten aufeinander. Etwa eine Minute standen sie sich wieder Kopf an Kopf, Auge in Auge gegenüber. Dann wiederholte sich das Spielchen und sie prallten noch einmal aufeinander. Jetzt im Frühjahr war dies aber kein mit aller Härte geführtes echtes Duell, sondern eine freundschaftliche Rangelei unter Halbstarken. Und so grasten die Beiden bald wieder friedlich nebeneinander.