Hirsche im Nationalpark Graubünden

Quasi als Vorbereitung für die bevorstehende fotografische Pirsch auf die Schneeleoparden des Ladakh verbrachte ich ein verlängertes erstes Oktoberwochenende im Schweizerischen Nationalpark. Schneeleoparden und Rothirsche sind je so ziemlich das gleiche. Beide sind Wildtiere, beide versuchen sich vom Menschen fern zu halten, bei den Schneeleoparden im Ladakh ist es gebirgig und im Graubünden hat es auch Berge. Und beide Reisen sind über Foto Marlin organisiert. Und… o.k. dann hat es sich mit den Ähnlichkeiten.

Donnerstag:

Saoseo

am Saoseo-See

Nachdem ich bereits am Vortag bis Pontresina angereist war, sammelte mich unser Reiseleiter am Hotel auf und brachte mich bis zur Diavolezza-Talstation, wo wir uns mit den restlichen Reiseteilnehmern trafen. Von da ging es zu unserem heutigen Fotomotiv, dem Saoseo-See. (Das könnte man noch ausbauen zu „Sieh, der Saoseoseesandstrand!“) Eine Fahrerlaubnis machte uns unabhängig vom Postauto und verkürzte unsere Wanderzeit auf ca 45 Minuten. Der Saoseo liegt in einem zu dieser Jahreszeit gelb gefärbten Wald und dank Windstille konnten wir wunderbare Spiegelungen fotografieren und geniessen.
Wenn man versucht die Eigenschaft einer Landschaft in einem Foto zu erfassen, dann vergeht die Zeit wie im Flug und fast zu schnell wurde es Nachmittag. Vom Saoseo zog es uns weiter nach Zernez, genauer gesagt zum Hotel „il Fuorn“ an der Strasse zum Ofenpass gelegen. Hier würden wir für die nächsten Tage unser Lager aufschlagen. Im Nationalpark gelegen, hörten wir in der Dunkelheit die Hirsche röhren und ein Blick durch das Nachtsichtgerät zeigte, dass die Tiere oft nur 10, 20 Meter vom Hotel entfernt standen. Morgen früh würde die Hirschfotografie sicher erfolgreich sein!

Freitag:

kein Hirsch in Sicht, also wird der Mond fotografiert

kein Hirsch in Sicht, also wird der Mond fotografiert

In der Dunkelheit waren wir aufgebrochen, mit zwei Autos fuhren wir etwas weiter Richtung Ofenpass. Auf dem Parkplatz trafen wir uns mit einen Nationalparkwächter, der uns zu Fuss auf eine Alp im Nationalpark führte. Wir versuchten so leise wie möglich zu sein, den immer wieder hörten wir in der Dunkelheit die Hirsche. Auf der Alp angekommen stellten wir uns mit unseren langen Objektiven bereit und warteten auf die Dämmerung. Endlich wurde es hell und wir sichteten …keine Hirsche. Zwar waren sie immer noch zu hören, aber wahrscheinlich war das Gelächter, den sie standen im Wald und konnten uns wahrscheinlich sehen, aber für uns waren sie unsichtbar.
Nach einem stärkenden Kaffee kamen wir zum Schluss, dass Hirsche für uns wohl eine Nummer zu gross sind und wir es lieber mit etwas kleinerem versuchen sollten. Obwohl sich Murmeltiere im Oktober bereits wieder unter die Erde verziehen, überquerten wir den Ofenpass, um an den Hängen der Umbrailpassstrasse nach den Tunnelbauern Ausschau zu halten. So sehr wir uns auch anstrengten, die Murmeltiere konnten wir nicht entdecken, aber plötzlich meldetet jemand: „Da drüben! Auf dem Stein duckt sich ein Hase.“ Sofort spähten wir durch unsere Feldstecher und versuchten den dunklen Fleck auf dem Felsen als Hasen zu identifizieren. Nach 10 Minuten rätselraten kam endllich jemand auf die Idee, den Fleck mit einer langen Brennweite zu fotografieren und auf dem Display genauer zu betrachten. Jetzt konnten wir es alle sehen: Es war ein Kuhfladen in Hasenform! Die Kühe hier haben wirklich Humor! Abends versuchten wir es nochmals bei den Hirschen. Dieses Mal gingen wir auf eine andere Alp. Schon auf dem Weg dorthin hörten wir ihr Röhren und entgegenkommende Wanderer berichteten von Hirschsichtungen im Wald, nahe am Weg. Wir wiederum erreichten die Alp ohne Sichtung. Bei der Alphütte stellten wir unsere Kameras, auf den Waldrand gerichtet, auf. Mehr oder weniger geduldig warteten wir auf den Auftritt der Hauptdarsteller. Endlich betrat ein kapitaler Kronenhirsch, ein 12-ender die Lichtung. Wahrscheinlich nahm er unsere Gruppe wahr, den er beäugte die Alphütte genau und verlies die Lichtung, zwar nicht in Panik, aber doch relativ bald wieder. Zwar blieben wir bis es zum Fotografieren zu dunkel wurde, aber es blieb bei diesen einen Sichtung. Als wir dann im Schein der Stirnlampen zurück zum Auto gingen leistete ich mir kurz vor dem Parkplatz einen schmerzhaften Fehltritt.

Samstag:

Autor am Fotografieren (Foto: Sascha Frei)

Autor am Fotografieren… (Foto: Sascha Frei)

Meinem schmerzenden Fuss wollte ich den je 2 1/2 stündigen Auf- und Abstieg zum und vom Lai da Rims ersparen. Ich war nicht der einzige, der etwas angeschlagen war und so gingen wir zu dritt auf eine leichte Wanderung. Auf den Wegweisern mit 1 1/4 Stunden Wanderzeit angeschrieben, dehnten wir die Tour mit unseren Fotostops ohne Mühe auf 3 Stunden aus.

...und das Resultat.

…und das Resultat.

Nach einem kleinen Mittagessen fuhren wir nochmals zum Umbrailpass, aber nicht wegen der Murmeltiere oder wegen des falschen Hasen, sondern weil wir am Vortag einen keinen Wasserfall erblickt hatten, den wir unbedingt noch auf die Speicherkarte bannen wollten.
Erst beim Abendessen waren wir wieder mit dem Rest der Gruppe vereint und erfuhren endlich, dass die Anderen rechtzeitig zum Sonnenaufgang am Lai da Rims waren, eine wunderschöne Stimmung erlebten und sogar Murmeltiere sichteten.

Sonntag:

Eigentlich ist der Sonntag schnell erzählt: Früh Morgens versuchten wir es nochmals mit dem Rotwild; wir hörten ihr Röhren, aber trotz unserer langen Röhren schauten wir in die Röhre. 10000 Rothirsche, davon 2000 im Nationalpark, soll es im Graubünden geben. Und nur einer hat sich von uns ablichten lassen! Im Ladakh gibt es 200 Schneeleoparden; nach dieser Erfahrung werde ich wohl im Januar 0,1 Schneeleopard fotografieren.
Da wir alle nach den kurzen Nächten ziemlich müde waren, zog es uns nach Hause und so sagten wir uns und dem Graubünden nach einem letzten Kaffee lebewohl und machten uns auf den Heimweg. (Ich habe es ja gesagt. Der Sonntag ist schnell erzählt.)