Eine letzte Nacht im Paradies

Auf dem Rückflug nach Zürich. Die vergangenen sieben Nächte hatte ich in Fotoverstecken verbracht und relativ wenig geschlafen. Als wir heute morgen aus dem Versteck kamen, hatte ich noch schnell die Fotos von der Kamera auf den Laptop geladen, in der Meinung, ich könnte dann in einer ruhigen Minute auf dem Flugplatz oder im Flugzeug die nächtliche Ausbeute sortieren. Denkste, im Flieger bin ich, mit den Fingern auf dem Trackpad, eingeschlafen. Glücklicherweise nicht mit dem Finger auf der Löschtaste. Als ich das merkte, legte ich den Laptop weg und wollte den Flug verschlafen. Aber auch das war mir nicht vergönnt! Nach etwa 10 Minuten dösen bin ich durch das „Fasten Seatbelts“-Signal und Turbulenzen wieder aufgewacht. Das war dann wohl ein erzwungener „Power-Nap“, denn natürlich war ich jetzt wieder zu wach, um nochmals einzuschlafen. Also habe ich den Computer wieder hervorgeholt und versuche den vorletzten Tagebucheintrag dieser Reise vorzubereiten, bevor ich wieder einschlaffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffff

Nein, kleiner Scherz, ich bin noch wach.

Nach einem herrlich sonnigen Tag ging es zum letzten Mal ins Paradies. Das Paradies, das sind Lassis wunderbar an einem grossen Sumpf im Niemandsland an der Russischen Grenze gelegenen Beobachtungshütten. Umrandet wird der Sumpf, wie immer in Finnland, von Wald. Bereits einmal hatten wir hier erfolglos auf die Wölfe gewartet. Da jetzt mehrer Gruppen Fotografen in Lassis Camp waren, hatte ich zum ersten Mal in diesem Urlaub keine Hütte für mich, sondern musste/durfte die Hütte mit anderen Fotografen teilen. So fehlte zwar etwas von der absoluten Ruhe, aber es hatte auch den grossen Vorteil, dass ich zwischendurch die Augen schliessen konnte, ohne Angst zu haben etwas zu verpassen.

Im Paradies hatten wir herrliches Wetter! Spät Abends um 23.30 ging die Sonne unter und ein rot leuchtender Mond auf. Mit der Dämmerung fiel die Temperatur von 16°C auf 3°C und um 1 Uhr nachts ging die Abenddämmerung nahtlos in die Morgenröte über. Und um 3 Uhr blendete uns die Sonne wieder.

Baummöwen

Baummöwen

Und Tiere? Ja, die gab es auch. Zuerst sahen wir einen Buntspecht, der sein Junges fütterte. Ausserdem hatte ein Schwalbenpaar an unserer Beobachtungshütte sein Nest gebaut. Möwen und Krähen versuchten immer wieder ein Stück von den ausgelegten Schweinekadavern zu ergattern. Übrigens, wer hat schon mal in der Schweiz eine Möwe auf einem Baum im Wald sitzen sehen? Hier in Finnland ist das Alltag. Als die Sonne abends schon so flach stand, dass der Sumpf im Schatten lag, tauchte ein uns schon bekannter junger Bär auf. Plötzlich wurde er nervös, richtete sich auf, witterte,versuchte nochmals so viel und so schnell wie möglich Fleisch in sich hinein zu schlingen. Ein letzter Blick an den Waldrand, dann rannte er in Panik davon. Wir wussten, dass kleinere Bären den Grösseren ausweichen müssen, aber das geschah normalerweise wesentlich ruhiger… Da! Am weit entfernten Waldrand standen zwei Wölfe! Deswegen also. Als kleiner Bär hatte unser Jungbär von seiner Mutter gelernt, sich vor Wölfen auf einem Baum in Sicherheit zu bringen. Dieser Reflex ist jetzt, in seinem dritten Lebensjahr und dem ersten ohne Mutter, immer noch aktiv. In einem oder zwei Jahren wird er merken, dass er so gross und kräftig ist, dass ihn die flinkeren Wölfe zwar noch gehörig ärgern können aber keine Gefahr mehr für ihn sind. Dann wird er ihnen zwar, wenn möglich, immer noch aus dem Weg gehen, aber nicht mehr panisch flüchten.

Auf der Flucht

Auf der Flucht

Aber zurück zu den Wölfen! Endlich hatten wir unsere Sichtungen und schossen unsere ersehnten Fotos. Aber es blieb nicht nur bei einem Kurzauftritt am Waldrand. Die ganze Nacht durch konnten wir die Wölfe immer wieder an anderen Stellen sehen. Ein kleinerer Wolf (Gemäss einem deutschen Wolfsbeauftragten, der mit uns in der Hütte sass, ein Einjähriger) bot uns einen besonderen Einblick in sein Verhalten. Zu unseren Erstaunen überquerte er alleine den Sumpf und kam in die Nähe unserer Köder. Aber nicht die waren sein Ziel, sondern bei einem abgestorbenen Baum in der Nähe fand er etwas zu fressen. Nachdem er das verschlungen hatte, verschwand er im nahen Wald. Etwas später kam er zurück. Dieses Mal holte er an unseren Köder ein Stück Fleisch, das er zu „seinem“ abgestorbenen Baum trug. Da vergrub er es und sah sich danach um, ob er dabei beobachtet worden war. Der Schlaumeier hatte sich dort seinen eigenen kleinen Notvorrat angelegt!

So ging es die ganze Dämmerung/Nacht zu und her. Im leichten Nebel und mit Gegenlicht hatten wir bis zum Ende unserer Beobachtungszeit um 7 Uhr Gelegenheit, die finnischen Wölfe und Bären zu bewundern. Wir hatten in dieser Nacht sicher drei, möglicherweise vier Bären und mindestens vier Wölfe gesehen. Habe ich übrigens den Seeadler schon erwähnt?

Dazugehörige Bilder