Unter Geiern

Gänsegeier, Mönchsgeier und Schmutzgeier

Gänsegeier, Mönchsgeier und Schmutzgeier

Wie konnte das passieren? Da bin ich doch ein bekennender Skandinavienfan und jetzt sitze ich in der Spanischen Pampas und über meinem Haupt kreisen Geier. Keine Sorge, das tönt dramatischer als es ist. Die Geier warten nicht auf meinen Tod, sie haben es viel eher auf das Köderfleisch vor unserer Fotohütte abgesehen. Und damit ist eigentlich auch fast gesagt wieso es mich dieses Mal nach Spanien verschlagen hat. Auf meiner ersten Fotoreise nach Finnland hat Joachim Griesinger so intensiv von „seinem“ Spanien geschwärmt, dass ich mich entschloss nachzusehen, was hinter seiner Schwärmerei steckt.

Gestern sind wir mit den diversen Fliegern aus Deutschland und der Schweiz in Madrid gelandet. Wegen des Streiks bei Lufthansa war das keine Selbstverständlichkeit. Nach einer dreistündigen Autofahrt und einer kurzen Nacht ging es um halb sechs raus in die Wildnis, wo vor einem Versteck Fleischstücke und Knochen ausgelegt waren. Und tatsächlich, das Licht taugte noch kaum zum fotografieren, tauchten die ersten Kunden auf. Störche! – Ja, genau. Störche sind auch Fleischliebhaber und statt mühsam an Gewässern nach Fröschen oder auf Feldern nach Mäusen zu suchen, kommen sie lieber an einen gedeckten Tisch und suchen sich die schnabelgerechten Bissen heraus.

Bald waren auf dem Feld an die dreissig Störche versammelt und pickten sich die besten Stücke heraus. Fast hätte man übersehen, dass zwischen den langbeinigen Gesellen kleine Schmutzgeier gelandet waren. Vorsichtig watschelten sie zwischen den roten Stelzen hindurch um sich ebenfalls einen Teil der Beute zu sichern. Dabei beäugte der eine oder andere misstrauisch die klickenden Dinger in dem viereckigen Kasten hinter dem Futter. Ganz unsichtbar ist man als Fotograf halt doch nicht. Über den Schmutzgeiern und Störchen kreisten mehrere Milane, stürzten herab, griffen sich ein Fleischstück und flogen wieder hoch, ohne je den Boden zu berühren.
Und dann kamen auch die grossen Geier. Abseits des Rummels landeten zuerst ein paar helle Gänsegeier, dann gesellten sich noch gleichgrosse, aber dunklere Mönchsgeier dazu. Gespannt warteten wir, dass sie sich zum Futter begeben würden. Und endlich setzten sie sich in Bewegung und… flogen weg! Zwar überflogen sie den Futterplatz noch ein paar mal und landeten auch wieder am Rande, aber zum Futter gingen sie nicht und flogen dann sogar ganz weg.
Enttäuscht sinnierten wir über den Grund. Waren wir zu laut gewesen? Störten die vielen Störche? Waren sie nicht hungrig? Oder gab es irgendwo eine andere Naturfotografengruppe mit besserem Futter? Wahrscheinlich werden wir es nie erfahren.
Nach drei Stunden Fahrt im Auto sind wir jetzt mitten in der Serena und morgen gehen wir wieder auf Fotopirsch! Ein neuer Tag, neues Glück.